Samstag, 8. Dezember 2012

Nitrateinträge aus der Landwirtschaft Problem von gestern und Hypothek für morgen - DLG Kolloquium 2012

Am 5.12.2012 fand in Berlin das diesjährige Kolloquium der DLG zu einem alten, aber leider immer noch aktuellen Thema im Grenzbereich zwischen landwirtschaftlicher Produktion und Umweltschutz statt:

Nitrateinträge aus der Landwirtschaft - Problem von gestern und Hypothek für morgen. 



"Grenzbereich" weil Stickstoff einerseits eines der wichtigsten Betriebsmittel in der Landwirtschaft ist, andererseits die Belastung von Gewässern und anderen Ökosystemen weltweit als dringliches Umweltprobleme angesehen wird. Es sei einleitend nur an die Studie von Rockström et al. 2009 verwiesen. Hier wird die globale Nitratbelastung nach dem Verlust an Biodiversität als zentrales globales Umweltproblem adressiert. 


Aber nun zu den Vorträgen und Diskussionen auf dem Kolloquium:

Einleitend stellte Hans-Georg Frede (Universität Gießen) die aktuelle Situation der Nitratbelastung dar. Auf die gesamte Bundesrepublik bezogen, so seine Kernaussage, hat sich die Belastung in den letzten Jahrzehnten durchaus vermindert. Zwar wurden einige politische Zielvorgaben nicht, oder besser, noch nicht erreicht. Aber wenn neben den Nitratkonzentrationen und den N-Frachten auch die Stickstoffnutzungseffizienz (engl. Nitrogen Use Efficiency oder NUE) berücksichtigt wird, sind in den letzten zwei Jahrzehnten beträchtliche Fortschritte erzielt worden. Bei leicht verminderten N-Konzentrationen konnten die Erträge in diesem Zeitraum eindrucksvoll gesteigert werden und dies führt zu einer deutlich besseren NUE. Doch die Fortschritte sind nicht flächendeckend. Besonders in den viehstarken Regionen die gleichzeitig noch erheblich in die Produktion von Biogas eingestiegen sind, weisen die Trends teilweise wieder in Richtung einer Verschlechterung. Dass dies auch aus Sicht des Umweltbundesamtes eine beachtenswerte Entwicklung ist, betonte auch Rüdiger Wolter vom Umweltbundesamt in seinem Beitrag.  

Am Beispiel des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen stellte Stefan Dunajtschik die tatsächlichen praktischen Lösungsmöglichkeiten vor. Es fängt an bei dem einfachen klassischen Düngefenster und endet beim Einsatz von Technologie in der zeit- und ortsgenauen Applikation der Dünger. Dabei wurde deutlich, dass das Nitratproblem ein Umsetzungsproblem ist. Die Grundlagen aus der Forschung  sind bekannt.  

Horst Görmann vom Thünen-Institut (Braunschweig) dokumentierte anschließend auf der Basis einiger aktueller Studien die verschiedenen politischen Handlungsoptionen. Görmann unterstrich, dass die Ermittlung der "wahren" Bilanzen mit einem enormen Aufwand verbunden ist und immer noch große Probleme hinsichtlich der Datengrundlage beinhaltet. Letztendlich muss immer ein Kompromiss zwischen dem umweltpolitisch Wünschenswerten und administrativ Machbaren gefunden werden. 







Aber die Nitratbelastung ist kein nationales Problem, sondern alle europäischen Länder sind in unterschiedlich starken Ausmaß betroffen. Auf Grund der Produktionsstruktur und auch der natürlichen Standortbedingungen sind hier unsere Nachbarländer Niederlande und Dänemark besonders interessant. Was hier politisch und administrativ unternommen wird, um das Problem zu lösen war der Einstieg für den Vortrag von Friedhelm Taube (Universität Kiel). In beiden Ländern wird ein konsequenter Weg der vollständigen  Erfassung aller (!) N-Ströme auf den Betrieben gegangen. Es existieren zentrale Datenbanken in denen alle N-Mengen streng erfasst werden. In Dänemark wird darüber hinaus jetzt auch ein ein N-Bilanzrest von 0 kgN/ha vorgegeben. Zur Erinnerung: In Deutschland sind es 60 kgN/ha. Hier spielt sicherlich der genaue Berechnungsmodus eine Rolle - null ist nicht immer null-, aber diese Zielvorgabe ist in jeder Beziehung beeindruckend. Dahinter stehen exakte Vorgaben der Düngungshöhe nach kulturartspezifischen Maximalwerten, die nur auf Antrag überschritten werden dürfen. Wird mehr Stickstoff eingekauft als erlaubt gibt es Ordnungsstrafen. Kontrolliert werden anschließend 100 % der Betriebe. Diese Kontrolle umfasst nicht nur das bloße Vorhandensein einer Düngerbilanz - wie bei uns-, sondern es wird konkret nachgerecht. In Deutschland ist derzeit die Kontrolldichte bei einem Prozent der Betriebe und es wird nur das Vorhandensein der Berechnungen und fast nie deren Plausibiltät überprüft. Auch in den Niederlanden ist ein solches System inzwischen etabliert. In beiden Ländern konnten die früher extremen N-Überschüsse auf diesem Weg deutlich vermindert werden. 

Doch die Betrachtung der N-Bilanz ist nicht die einzige Herausforderung und so legte Friedhelm im zweiten Teil seines Vortrages den Schwerpunkt auf das Konzept der "nachhaltigen Intensivierung" (engl. sustainable intensification). Nach seiner Analyse gibt es hier in Deutschland noch erhebliche Defizite. Je nach Standortbedingungen, können danach intensive Produktionssysteme auf der Basis der produktbezogenen Bilanzierung durchaus Vorteile aufweisen. Die Berechnungen werden allerdings sehr kompliziert, da ja auch die Futtermittelimporte einschließlich der Produktionsbedingungen von Soja in Brasilien oder Argentinien quantifiziert werden müssen. Wird ein so umfassender Ansatz gewählt und die Bedingungen der Sojaproduktion einbezogen, gibt es auch Überraschungen. Beim Vergleich eines intensiven und extensiven Systems der Milchproduktion in Schleswig-Holstein lagen die Treibhausgasemmissionen nahezu exakt auf dem gleichen Wert. In letzten Konsequenz, so Taube, ist aber der hohe Fleischverbrauch zu hinterfragen. Würde in Deutschland der Konsum auf das Niveau von gesundheitlich empfohlenen Mengen begrenzt - hier eine Arbeit zu diesem Thema pro domo - , ließen sich eine Reihe von Umweltproblemen vermeiden. 

Damit wird aber auch deutlich, daß dies eine gesellschaftliche Fragestellung ist, die in der gesamten Breite dann auch eines politischen Konsens bedarf. In der Umsetzung sind da noch viele Fragen offen.  

Insgesamt eine sehr spannende Veranstaltung. Das Thema "Nitratbelastung" ist keineswegs ein alter Hut; es ist weiter ein brennendes Problem, das Gesellschaft, Politik und Verwaltung noch weiter beschäftigen wird.  

gez. O. Christen

PS. In Kürze werden auch die Vorträge im Internet für Mitglieder der DLG verfügbar sein.