Sonntag, 25. November 2012

Zwischenruf - Das Bild der Landwirtschaft

Das Thema ist immer aktuell in einer urbanen Gesellschaft. Wie stellt sich Landwirtschaft in der Öffentlichkeit dar? Welches Selbstverständnis steht dahinter? Wie viel Realität darf es sein, muss es sein? Zu berücksichtigen ist natürlich auch, dass Landwirtschaft - mit allen Aspekten - ohnehin in den Medien und der Werbung mit einem bestimmten Image transportiert wird. "Bauern sucht Frau",  Beiträge in Nachrichtenmagazinen, Kinderbüchern und auch das Phänomen "Landlust" will ich einmal an dieser Stelle ausklammern, sind aber natürlich auch wichtig. Aber dies ist ein Blog und keine Habilitation.

Aufs falsche Pferd, oder doch eher aufs falsche Tier?


Versuchen wir einmal eine Bestandsaufnahme. Irgendwo zwischen Unterhaltung, Information und Lobbyismus muss jeder einzelne Betrieb, muss aber auch die Branche ihren Weg finden. Auch ich habe keine Lösung, aber vielleicht hilft es, auf einige Ansätze zu schauen, um einmal die Möglichkeiten zu sortieren und auch die skurrilsten Fehltritte als warnende Beispiele zu zeigen.

Interessant mit Information und Lebensgefühl sind die Beiträge der "University of California (Davis). Die Historie wird dargelegt und es geht um Menschen in ihrem Umfeld. Man mag zu der Intensität der Landwirtschaft in der Gegend um Davis stehen wie man will, das Bild ist zumindest realistisch.

Stark verkürzt, dafür aber mit recht klarer Intention sind Videos aus Australien zur Entwicklung der Landwirtschaft. Hier ist aber zu bedenken, dass Landwirtschaft in Australien einen anderen Stellenwert hat.
Werbung für eine Gemüsekiste in Hamburg. Wo liegt wohl der abgebildete Hof?

Dass auch seitens der Industrie ein stark produktionsorientiertes Bild vertreten wird, ist verständlich. Hier zwei Beiträge von den Firmen BASF und Monsanto. Kürzlich hat die BASF dann noch einen weiteren Ansatz gewählt und stellt das Berufsbild der Landwirtschaft in den Vordergrund. Nicht ganz klar bleibt der Bezug zum Unternehmen. Ganz ehrlich, hier wirft die BASF das Bild der Landwirtschaft natürlich auch deutlich in die Zeit von Thaer zurück.

Große Öffentlichkeit haben auch diese singenden amerikanischen Junglandwirte gefunden. Die Information tritt dann in den Hintergrund und es überwiegt das Lebensgefühl. Sehr amerikanisch.

Sehr emotional mit intensiven Bildern und einer typischen Musik präsentiert sich die Landwirtschaft in Irland

Wie es aussieht wenn dann die Werbung einen solchen Weg geht, kann man in diesem Beitrag für eine englische Biomilch bewundern. Das ist dann reine Emotion. Wer keine Boy-Groups mag: von dieser Marke gibt es auch entsprechende Rap-Werbung. Hier macht das Unternehmen den Versuch auch noch Informationen zu vermitteln

Gesammelte Videos im Rahmen eines Wettbewerbs sind bei "Clip my Farm" dokumentiert. Dass hier nicht jeder Versuch erfolgreich ist, zeigt dieses Video: Das Hofhuhn als Rap. Aber auch den USA fragt man sich manchmal wie weit das Schamgefühl noch strapaziert werden kann.

Und dann noch die Kalender. Seit einigen Jahren für fast alle Einrichtungen verfügbar. Soll dies das Bild der modernen Landwirtschaft sein? Dass Fremdschämen wirklich grenzenlos sein kann, zeigt die Facebookseite "Sexy Landwirtschaft".


Wo ist nun der richtige Weg? Ich bin unsicher. Zwischen den oben aufgeführten Beispielen mäandrieren die Versuche der Öffentlichkeitsarbeit und der Branchenkommunikation. Ich habe einmal wenig kommentiert und bin für Hinweise auf besonders gute (oder besonders skurrile) Beispiele dankbar. To be continued...

O. Christen

PS Was bleibt:

solange es keine Milch von glücklichen Hühnern gibt

PPS Ich habe im Juli 2014 einige Passagen aktualisiert

Samstag, 17. November 2012

Zwischenruf - Studium, Studienort, Berufsaussichten


Ein kleiner Beitrag zur Frage der Auswahl des Studienortes, der Studienqualität und dem anschließenden Berufseinstieg. Anlass sind zwei Veröffentlichungen, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit diesen Fragen beschäftigen. Zum einen ist dies die Umfrage der Zeitschrift "top agrar". Hochinteressant, und methodisch sehr fundiert, ist eine aktuelle Publikation des "Berufsverbandes Agrar Ernährung Umwelt,VDL". Ich will an dieser Stelle die Ergebnisse nicht im Detail darlegen oder kommentieren, aber der Hinweis sei erlaubt.

Gewächshaus an der Universität Halle
Mir ist dabei ein Sachverhalt besonders wichtig, der sich auch mit meiner Erfahrung aus mehr als 20 Jahren Tätigkeit (uff)  in der Ausbildung an Universitäten deckt. Beim Blick in die VDL-Studie wird deutlich, daß die Berufsfelder der Absolventinnen und Absolventen extrem breit sind und deutlich über die klassischen Tätigkeiten in der landwirtschaftlichen Praxis hinausgehen. Der vor- und nachgelagerte Bereich spielt eine herausragende Rolle im späteren Berufsleben. Auch die Forschung wird häufig genannt. Hier zeigt sich, dass eine Jobsuche wahrlich nicht nur auf die Praxis beschränkt sein sollte. Die Studierenden sollten diese beiden Sachverhalte einmal gedanklich in Übereinstimmung bringen. Was sind die tatsächlichen Anforderungen des Arbeitsmarktes - und nicht die gefühlten - und wo wird auf diese Anforderungen besonders gut vorbereitet?


Und noch ein erwähnenswertes Ergebnis. Der Bachelor wird nur beschränkt als berufsqualifizierend beurteilt. Gut, auch das will ich nicht weiter kommentieren. Aber wichtig ist aus meiner Perspektive, daß die Ausbildung im Master ein höheres Niveau aufweist als das alte Diplom. Die Absolventinnen und Absolventen sind damit gut auf eine spätere Tätigkeit vorbereitet.

Bitte lesen sie selbst, es lohnt sich.

O. Christen

PS Wo wir gerade über das Thema sprechen: Informationen zu unseren Studiengängen in Halle



Samstag, 10. November 2012

Klimawandel und Extremwetter - Tagung des Dachverbandes Agrarforschung 2012

Die Tagung des Dachverbandes Agrarforschung (DAF) widmete sich am 8. und 9. November in Braunschweig dem Thema „Klimaveränderungen und Wetterextreme – ein Problem für die Landwirtschaft?“ Hierbei wurde versucht die verschiedenen Aspekte landwirtschaftlicher Produktion zu beleuchten, den gegenwärtigen Erkenntnisstand zu dokumentieren, aber auch die offenen Fragen und künftige Forschungsfelder zu identifizieren.
Gleich vorneweg: Dieser Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sobald die Präsentationen verfügbar sind und – noch später - die schriftliche Dokumentation im Agrarspektrum vorliegt, werde ich dies kundtun. Vorab hier das vollständige Programm aus diesem Jahr. 


Forum des Thünen-Institutes in Braunschweig

Aber nun zur Tagung:
Einleitend beschrieb Paul Becker, Vizepräsident des DeutschenWetterdienstes (DWD), den Stand der Szenarien für das Klima der Zukunft in Europa und der Bundesrepublik. Hierbei wurde deutlich, dass bei der Betrachtung von grundlegenden Entwicklungen eine gute Übereinstimmung bei den verschiedenen Modellergebnissen besteht. Dass es zukünftig wärmer und besonders im Sommer auch trockener werden wird, ist inzwischen unstrittig. Hinsichtlich der Vorhersage von Wetterextremen kann allerdings nicht von einem eindeutigen Bild gesprochen werden kann. Hier unterscheiden sich die Ergebnisse je nach betrachtetem Merkmal (Niederschläge, Temperatur, Windgeschwindigkeit) zum Teil ganz erheblich. Auch sind einige Trends hinsichtlich der Extreme nicht eindeutig – eine komplizierte Ausgangslage!

Die globalen Trends der Nahrungsmittelproduktion und –nachfrage stellten Christian Banse vom Thünen Institut (Braunschweig) und Thomas Herzfeld (IAMO, Halle) dar. Getrieben vom Bevölkerungswachstum und den geänderten Konsumgewohnheiten – mehr Fleisch besonders in Asien – wird der Bedarf nach Nahrungsmitteln in den nächsten Jahrzehnten beträchtlich ansteigen. Vor dem Hintergrund, dass die klimatischen Veränderungen besonders die ohnehin schon unter schwierigen Bedingungen leidenden Länder Afrikas und auch Asiens treffen wird, eine düstere Aussicht. 


Welche konkreten Folgen dies für die verschiedenen landwirtschaftlichen Bereiche haben wird und auf welche Weise eine Anpassung erfolgen kann, stand dann im Fokus der weiteren Vorträge.

Recht optimistisch war hierbei Léon Broers vom Zuchtunternehmen KWS (Einbeck). Auch nach seiner Einschätzung sind Klimawandel und Wetterextreme zwar wichtige Herausforderung, aber durch eine große Anzahl von Zuchtstationen in unterschiedlichen Klima- und Bodenregionen ist die Pflanzenzüchtung auch auf variable Bedingungen gut vorbereitet. Züchtung, so Broers, ist immer noch schneller als der Wandel  des Weltklimas. Bedingt optimistisch für die hiesige Situation war gleichermaßen Frank Ewert von der Universität Bonn. Bei den langfristigen Trends ist sicherlich eine Anpassung möglich. Schwieriger wird allerdings die Berücksichtigung von Wetterextremen. So zeigen Analysen von langjährigen Ertragsdaten unterschiedlicher Kulturen aus Deutschland, dass die extrem niedrigen Erträge oft nur lokal und nur bei einzelnen Kulturarten auftraten. Die Empfehlung von Frank Ewert lautete daher auch eine Diversifikation bei der Auswahl der Kulturarten zu erwägen, um das Risiko besser zu streuen. Bei der aktuellen Konkurrenzsituation der so genannten kleinen Kulturen eine sicherlich nur schwer umsetzbare Empfehlung.
Bärbel Gerowitt von der Universität Rostock lenkte den Blick dann auf Schädlinge und Unkräuter in einer neuen klimatischen Situation. Hier ergibt sich kein einheitliches Bild. Je nach ökologischer Anpassung werden unter warmen und trockenen Bedingungen einige Unkräuter eine stärkere Konkurrenzkraft entwickeln, während anderer Unkräuter mit den veränderten Bedingungen schlechter zurecht kommen, eventuell sogar völlig an Bedeutung verlieren werden. Ähnliches zeigte sich auch bei den Simulationen zur zukünftigen Entwicklung von Pilzkrankheiten an Kulturpflanzen. Frau Gerowitt betonte hierbei nachdrücklich, dass ein Lücke im Pathogenspektrum immer von anderen, dann besser adaptierten Organismen, ausgefüllt wird. Wie standortabhängig die optimalen Strategien einer Anpassung sein müssen, wenn zusätzlich auch noch die Treibhausgasemissionen der Produktion mit berücksichtigt werden, wurde von allen Vortragenden hervorgehoben.  


Auch im Bereich der Nutztierhaltung rücken die möglichen Folgen von Klimaveränderungen mehr und mehr in den Fokus der Forschung. Neben Anpassungen durch die Fütterung, wie dies Frank Dänicke vom Friedrich Löffler Institut (Braunschweig) darstellte, werden auch einige Pathogene in der Zukunft deutlich zunehmen. Auf diesen Sachverhalt wies Franz Conraths vom Friedrich Löffler Institut (Wusterhausen) sehr eindrucksvoll hin. Neben dem globalen Handel ist seiner Meinung nach die Klimaveränderung der zweite zentrale Treiber für das vermehrte Auftreten von Krankheiten aus den Tropen und Subtropen in den gemäßigten Breiten. Hierbei sind beileibe nicht nur Tierkrankheiten betroffen, sondern auch viele Humanpathogene machen sich auf den Weg nach Europa, wenn es wärmer und trockener wird.

Alle Teilaspekte der Anpassung aber auch der Gegenmaßnahmen laufen dann auf dem landwirtschaftlichen Betrieb zusammen. Hier gibt es klassische Instrumente der Risikoabsicherung, wie die Hagelversicherung. Doch gerade auf der Betriebsebene sind im Umgang mit Risiken noch viele Fragen offen. So hat Oliver Mußhoff von der Universität Göttingen vorgestellt, dass je nach Betriebsausrichtung und Risikoerwartung ganz unterschiedliche Instrumente gewählt werden sollten. Dies reicht von der klassischen Versicherung bis zu Preisabsicherungen über Veränderungen der Betriebsstruktur bis zur Nutzung von Warenterminmärkten. 

Welchen Beitrag hier dann der ökologischer Landbau leisten kann, dokumentierte Andreas Gattinger vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FIBL) aus dem schweizerischen Frick. Auch wenn der ökologische Landbau weltweit derzeit flächenmäßig nur eine kleine Rolle spielt, sollten die positiven Wirkungen z.B. bei der Bindung von organischer Substanz im Boden stärker beachtet werden. Gattinger wies hier auf eine aktuelle Studie unter seiner Leitung aus dem FibL hin. 

Noch ein kurzes abschließendes und persönliches  Resümee:
Die diesjährige Tagung hat deutlich gemacht, dass die Klimafolgenforschung in den Agrarwissenschaften eine gewichtige, ja zentrale Rolle einnimmt. Recht intensiv wird dies in der Pflanzenproduktion und auch immer stärker in der Forschung zur Nutztierhaltung berücksichtigt. Noch mehr in den Fokus sollte aus meiner Sicht die Reaktion des gesamten landwirtschaftlichen Betriebes gerückt werden. Spezialisierte Betrachtungen sind wichtig und notwendig, aber auf der Betriebsebene sind mittel- und langfristig noch ganz andere Reaktionen möglich. Wenn man alleine in einem größeren geographischen Maßstab die Betriebsformen vergleicht ist offensichtlich, dass – stark vereinfacht - Übergänge von Tierproduktion (sehr trocken) zu Ackerbau (gemäßigt) und wieder zu Tierproduktion (sehr feucht) stattfinden. Gemischtbetriebe einmal nicht berücksichtigt. Dies muss für langfristige Abschätzungen auch abgebildet werden, denn es wird Warenströme und auch wieder die Freisetzung oder Bindung von Treibhausgasen weltweit verändern. Ganz zu schweigen von den notwendigen Veränderungen in Betriebsorganisation, Know-how usw. usw.

Die Forschungsthemen werden nicht ausgehen. 

gez. O. Christen

PS Die Präsentationen zu den Vorträgen sind jetzt online.  

Freitag, 2. November 2012

Die Zukunft pflanzen - ein Blick auf die Fakten

In den letzten Wochen hat der Film "Die Zukunft pflanzen" der französischen Autorin Marie-Monique Robin beträchtliche Aufmerksamkeit erzielt und die Diskussion um die zukünftige Entwicklung der globalen Landwirtschaft - zumindest kurzfristig - wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Die Autorin stellt die Frage nach den Ursachen des Hungers. Dass dies so intensiv geschieht, ist aus meiner Sicht begrüßenswert, denn die Tatsache, dass nahezu eine Milliarde Menschen an Hunger und Unterernährung leiden, ist beschämend und verdient mehr Aufmerksamkeit in der Gesellschaft.

Der Film hat in mehrerer Hinsicht sehr starke Emotionen ausgelöst. In Leserbriefen von Zeitungen und im Internet entbrannte eine extrem polarisierte Diskussion hinsichtlich der konkreten Inhalte, sicherlich auch ausgelöst durch die Hauptthese des Films: Pestizideinsatz und Freihandel sind die Ursachen des Welthungerproblems  und umgekehrt bietet der ökologische Landbau (Verzicht auf chemisch-synthetischen Pflanzenschutz, leichtlösliche Mineraldünger und grüne Gentechnik als Hauptkriterien) die Lösung. Der überwiegende Teil der Meinungsäußerungen war sehr positiv. Umgekehrt wurde ich von einer ganzen Reihe von Studierenden auf diesen Film mit ganz gegenteiligen Einschätzungen angesprochen. Auch hier kochten die Emotionen hoch.

Weil ich diese Diskussion ausgesprochen wichtig (aber auch wissenschaftlich und politisch) extrem interessant finde, habe ich einmal versucht, einige Argumente des Films hinsichtlich ihrer Substanz zu reflektieren. Dabei bin ich mir durchaus bewusst, dass es für derartige Fragestellungen kaum ein "falsch" oder "richtig" geben kann und auch Wissenschaft (!) teilweise beträchtliche normative Elemente enthält. Und letzte Vorbemerkung: Dieser Blogbeitrag hat natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, denn zu Fragen der Welternährung und dem Intensitätsniveau der globalen Agrarwirtschaft gibt es ganze Bibliotheken. Dies kann also nur ein winzig kleiner Mosaikstein in diesem großen Gebäude sein. Jede Aussage könnte mit unzähligen Fußnoten und Verweisen ergänzt werden, ließe sich relativieren und mit Gegenargumenten auch wieder in Frage stellen. Man mag dies beklagen, aber so funktioniert Wissenschaft. Übrigens der Grund weshalb Wissenschaftler oft so schlechte Politiker sind. Unsicherheit und beständiger Zweifel sind in der Politik - völlig unabhängig von der Richtung - für  das oft  notwendig schnelle Handeln eher hinderlich.

Vor der Klammer
Einige Aussagen aus dem Film möchte ich quasi vor die Klammer ziehen, weil es entweder schon lange an anderer Stelle geführte und dokumentierte Debatten sind, oder weil der Sachverhalt sich kaum in einem halbwegs überschaubaren Rahmen bewältigen läßt. Dies betrifft zuerst die im Film an verschiedensten Stellen erwähnte grundsätzliche Kapitalismuskritik. Immer wieder wird die Motivation von Unternehmen - "wollen nur Geld verdienen" - als Grund für deren moralisch verwerfliches Handeln angeführt. Es mündet dann schließlich in der japanischen Gemüsekiste im letzten Fallbeispiel, deren Preis unabhängig von den tatsächlichen Inhalten vorgestellt wird.

Dieser Brocken ist zu groß. Vielleicht nur ein Hinweis zur Unternehmensgröße und den Folgen solcher Monopolisierungsbewegungen. Beachtenswert ist hier die Tatsache, dass moderne Verfahren der Pflanzenzüchtung - und dies betrifft beileibe nicht nur die Gentechnik, sondern z.B. auch das "smart breeding" - einen extrem hohen technisch-apparativen Aufwand haben, ganz zu schweigen vom notwendigen Know-how. Ein kleines start-up Unternehmen wird hier - und dies wieder ganz unabhängig von der Ausrichtung und der Rechte an Sorten und Linien - mit seiner Arbeit nur sehr begrenzt Aussicht auf Erfolg haben. Der Weg von der Garage in Palo Alto zu einem Weltkonzern ist im Bereich der Hochtechnologie - und dazu gehört heute die Pflanzenzüchtung - schwieriger geworden. All dies, und dies sei ausdrücklich betont - gänzlich ohne die Nutzung der grünen Gentechnik.

Eine zweite Aussage aus dem Film, die ich gerne vor die Klammer ziehen würde, ist die Frage der Folgen und damit verbundenen Kosten des Pestizideinsatzes für die Gesundheit der Bevölkerung. Hinter dieser Aussage steht die Forderung, externe Kosten einer Produktion zu internalisieren. Dies begegnet uns in sehr vielen Diskussionen zu Umweltwirkungen, denkt man nur an die Energieversorgung. Das Argument ist nicht einfach von der Hand zu weisen, im Gegenteil. Es gibt allerdings einige extrem schwierige methodische Fragen: Wer oder besser welche Institution legt diese Preise fest? Wie werden die Preise dann bei den Marktpreisen berücksichtigt? Und schlussendlich: Was ist das Referenzsystem? Gehen wir davon aus, dass es ein System der Nahrungsproduktion gibt, welches keine zusätzlichen Kosten verursacht, oder stellen wir die zusätzlichen Kosten allen Systemen in Rechnung? Allein diese Beispiele zeigen, wie extrem schwierig diese Frage ist, selbst wenn der Sachverhalt - den ich hier nicht verifizieren kann - als anerkannt bewertet wird.

Aber nun zu den Aussagen aus dem Film:

An verschiedenen Beispielen aus Süd- und Mittelamerika werden landwirtschaftliche Systeme dargestellt, die durch die Einführung geänderter Anbaumethoden im Vergleich zur aktuellen Produktionsweise höhere oder zumindest identische Erträge erzielen. Sei es ein System mit Mischkulturen (Milpa) oder die bessere Schließung von Stoffkreisläufen. Dies wird untermauert durch einige Beispiele von Forschungseinrichtungen, die sich mit Detailfragen (Push and pull) oder dem Agroforst befassen. Diese  Darstellung ist ohne Zweifel richtig, allerdings ist dies mit dem Übergang von konventioneller zu ökologischer Wirtschaftsweise nicht ausreichend beschrieben. In allen Beispielen - Ausnahme vielleicht der Senegal mit den Zwiebeln - werden die höheren Erträge durch drei Faktoren erzielt: Bessere Wirtschaftsweise hinsichtlich der Fruchtfolge oder Mischulturen, (vermutlich) mehr Arbeitseinsatz und Schließung der Kreisläufe durch Tierhaltung. Je nach Definition stellt das unter den gegebenen Bedingungen somit keine Extensivierung sondern - Übergang zu Gemischtbetrieben - eine Intensivierung dar. Wird mehr Tierhaltung gewünscht - worüber sich aus Sicht der Klimapolitik trefflich streiten läßt - ist dies ein interessanter Weg. Dabei hat Fleischkonsum durchaus problematische Konsequenzen (mir sei der Hinweis pro domo erlaubt).


Auch die Aussagen zu den dann gleichen oder sogar steigenden Erträgen im ÖL wird so verständlich. Als Kronzeugen, dass dies dann auch in anderen Klima- und Bodensituationen funktioniert, wird der Dauerversuch im amerikanischen Rodale (Pensilvania) angeführt. Dieser Versuch ist tatsächlich ein extrem gut untersuchter und dokumentierter Standort und das macht die Überprüfung der Aussage einfach. Im Endeffekt ist es identisch mit den vorher genannten Beispielen. Das Feldexperiment ist ein Systemversuch und es wird nicht nur Öko vs. Konventionell sondern wieder Ackerbausystem vs.  Tierhaltung verglichen. Dass dadurch dann die Bodenfruchtbarkeit (Humus, Aggregatstabilität) verändert wird, ist zu erwarten. Die Ertragsaussagen aber sind kaum sinnvoll zu vergleichen, wenn nicht ganz exakt die Stoffströme mit dokumentiert werden. Sobald nämlich die Tierproduktion in dem System komplett in die Bilanzierung integriert wird (Energie, CO2-Äquivalente usw. usw.), sehen die Bilanzen  deutlich anders aus. Das kann im Einzelfall weiterhin  zu einem Vorteil bei dem extensiven System auf der Flächenbasis führen, muss es aber nicht (Hier noch ein kleiner Literaturhinweis aus unserer eigenen Arbeit. Eine sehr umfangreiche Meta-Analyse zu diesem Thema wurde kürzlich in der Zeitschrift nature publiziert).

Vergleichsuntersuchungen sprechen in der Regel von Ertragsunterschieden auf ha-Basis von 20-30 Prozent, allerdings mit einer großen Spannweite je nach Klima, Boden und Inputniveau. Hinsichtlich der Energiebilanzierung hat mich am Anfang die Aussage von Altieri sehr gewundert. Im konventionellen Anbau werden hierbei - mit der üblichen Spannweite - Zahlen von 10 bis 15x erreicht d.h. der Output übertrifft den  Input um das 10- bis 15-fache. Nur 3-fach ist nach meiner Kenntnis schlicht falsch, dabei ist Altieri ein sehr anerkannter Kollege.

Im Beispiel des ökologischen Landbaus aus Bayern wird dann eine  recht ungewöhnliche Form des ÖL vorgestellt, die auch auf eine wendende Bodenbearbeitung (vulgo pflügen) verzichtet. Solche Systeme gibt es - ich selbst habe es einmal in Rodale gesehen - aber es ist doch der geringste Teil der ökologisch wirtschaftenden Betriebe, der dies macht. Unkrautdruck und die Notwendigkeit der Einarbeitung von z.B. Stallmist setzen diesem Ansatz enge Grenzen.  Die bessere Bodenstruktur mit allen Vorteilen in extensiven Systemen einschließlich ÖL hat ihre Ursache im großen Durchschnitt nicht im Pflugverzicht, sondern wiederum in den geschlossenen Betriebskreisläufen (mit Tierhaltung) und/oder in einer konsequenten Rückführung von organischer Substanz einschließlich Gründüngung. Dass dies ein gangbarer Weg ist, ist unbestritten. Gerade die Nutzung von Gründung würde aber die Produktionsleistung auf der Betriebsebene weiter vermindern, da ja Fläche vollkommen aus der Produktion genommen wird, sollte keine Tierhaltung vorhanden sein.


Mais in no-till in Rodale, USA

An mehreren Stellen des Films wird auf die Notwendigkeit der Selbstversorgung hingewiesen. Das ist bei der Situation der Landwirte, die im wesentlichen für den eigenen Bedarf produzieren, ein wichtiger Aspekt. Gerade bei der großen Anzahl der hungernden Kleinbauern ist hier der Hebel anzusetzen. Für den weitaus überwiegenden Teil der hungernden Menschen ist dies lebenswichtig. 

Ob dies allerdings als grundsätzliche Lösung empfohlen werden kann, ist zu bezweifeln, denn Arbeitsteilung bietet auch immer die Chance für Vorteile bei allen Partnern. Durch die Unterschiede in den klimatischen Bedingungen wäre es geradezu vermessen, in Europa Bananen, Tee, Kakao oder Kaffee zu produzieren. Hier liegen die Vorteile in anderen Klimaten, während wir Vorteile bei Getreide aufweisen. Warum nicht Handel betreiben und diese Vorteile nutzen? Voraussetzung sind natürlich entsprechend faire Welthandelsbedingungen. Das ist dann die anderer Seite der Medaille. Die mehrfach wieder angesprochenen Exportsubventionen, die früher eine große Rolle für das Chaos auf den Agrarmärkten gesorgt haben, sind heute zu vernachlässigen. Der Anteil am EU-Agrar-Haushalt ist zumindest verschwindend gering, aber in Filmen und öffentlichen  Diskussionen wird es immer wieder erwähnt.

Abschließend noch ein Wort zu dem Beispiel aus Japan. Die Auswahl ist aus meiner Sicht etwas ungewöhnlich. Wenn schon ein Beispiel aus Asien, dann würde ich zuerst an Indien denken. Im Gegensatz zu der Aussage im Film, leben die meisten hungernden Menschen nämlich nicht in Afrika sondern in Asien mit dem Schwerpunkt in Indien. Die Situation der japanischen Landwirtschaft ist sehr ungewöhnlich. Einerseits ist Japan auf Grund seiner Wirtschaftskraft in der Lage, extrem hohe Subventionen für die Landwirtschaft zu zahlen. Andererseits ist die nutzbare Anbaufläche vergleichsweise klein. Dies erklärt schon die extrem intensive Flächennutzung. Hinzu komme eine historisch und kulturell bedingte Bestrebung nach Autarkie, zumindest beim Reis, der in Japan eine extrem hohe religiöse Bedeutung aufweist. Dies nur als Einleitung und zur Illustration, weshalb Japan einfach ein ungewöhnliches Beispiel ist. In Europa wäre dies mit der Situaton in der Schweiz oder in Norwegen zu vergleichen, denn auch dort wird Landwirtschaft mit anderen Zielsetzungen und, auf Grund der Nicht-Mitgliedschaft in der EU, auch mit anderen Subventionen betrieben. Das der vorgestellte Landwirt, oder besser Gemüsebauer in Japan mehrere Dutzend Arten anbaut, ist bemerkenswert und die Vielfalt auf dem Feld hat ökologisch vermutlich große Vorteile. Effizient ist die Flächennutzung dabei aber sicherlich nicht, denn kein Mensch kann die Ansprüche so vieler Arten beherrschen. Dass in der Landwirtschaft hier bei uns in Mitteleuropa das eingeschränkte Kulturartenspektrum ein zentrales Problem darstellt, würde ich dagegen sofort unterschreiben. Zwischen nur noch drei Kulturen, wie bei uns im konventionellen Ackerbau durchaus üblich und vielleicht 100 Arten ist die Spannweite für eine Optimierung zwischen Ertrag und "Know-how" aber sehr groß.

Das Beispiel Japan ist ungewöhnlich


Aus wissenschaftlicher Sicht ist dies eine hochinteressante Frage. Wie hoch ist die optimale Anzahl von Kulturarten auf einem Betrieb? Hier gibt es einerseits die beschrieben negative Korrelation zwischen Know-how und Betriebsorganisation andererseits ist aber auch beachtenswert, ob es durch ein mehr an Kulturen zu größeren positiven Effekten auf Grund von höherer Biodiversität (functional biodiversity) kommt. Am Beispiel des Gemüsebaus bin ich hier überfragt, zumal hier spezifische Mechanisierung, wie im Beispiel, keine Rolle spielt. Müssen es also 100 Kulturen sein, oder 50 oder 20 - spannend, zumal dann in der Frage der Biodiversität (Anbauhäufigkeit bzw. Fruchfolge) auch noch die räumliche Anordnung bedeutsam ist. Im Ackerbau beantworten mehrere 100.000 Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter diese Frage jeden Tag. Danach liegt das Optimum konventionell  derzeit bei 3-4, maximal 5 Kulturen. Auch im Ökolandbau ist die Kulturartendiversität nur geringfügig höher. Ergebnisse liegen bei 6-7, aber auch nicht mehr. Dieser Sachverhalt wurde aber oft genug beschrieben.

Auch in dem japanischen Beispiel gibt es wieder eine recht intensive Tierhaltung. Zwar hat der Betrieb nur drei Kühe, aber die Betriebsgröße beträgt ja nur drei Hektar. Das garantiert ein vergleichsweise hohes Düngungsniveau, wobei eine Düngung mit Gülle - so habe ich die eine Szene im Film interpretiert - bei uns aus berechtigten hygienischen Gründen verboten wäre. Ob es eine Nachzucht oder einen Bullen gibt wird nicht erwähnt. Sollte dies der Fall sein, muss dies auch bilanziert werden, sonst schlägt es zumindest an anderer Stelle mit zu Buche, denn die Kühe geben ja nur Milch wenn, aber das wissen sie ja...

Recht viel Zeit widmet der Film dann dem Modell der Gemüsekiste mit direkter Anlieferung. Das ist ein inzwischen verbreitetes Konzept, das auch in anderen Ländern ausprobiert wird. Durch ein solches Vermarktungskonzept entsteht ein engerer Kontakt zwischen Produzenten und Konsumenten. Das ist eindeutig positiv und fördert das gegenseitige Verständnis (s.u.). Neben der Tatsache, daß in dem Konzept Angebot und Nachfrage nur noch eine indirekt Rolle spielen, liegen die offensichtlichen ökonomischen Vorteile zuerst bei den Produzenten. Es gibt eine Abnahmegarantie und das bedeutet Planungssicherheit. Verbraucherinnen und Verbraucher sind allerdings mit einer gewissen  Wahrscheinlichkeit mit Produkten konfrontiert, die sie nicht kennen (der Bauer in dem Beispiel hatte 100 Kulturen), oder die sie in den nächsten Tagen gar nicht nutzen wollen d.h. die individuellen Wahlmöglichkeiten sinken. Ohne dass ich hierzu empirische Daten kenne, würde ich argumentieren, dass damit auch die Wahrscheinlichkeit von Verlusten steigt. Was ich nicht kenne und/oder gerade nicht nutzen kann, landet im Müll. Zusätzlich muss bei diesen Systemen immer die Frage des Energieverbrauches und der Treibhausgasfreisetzung gestellt werden - und hierzu gibt es Untersuchungen. Kaum ein System ist hier so ineffizient, wie das direkten Einkaufen - oder hier Abholen - bei einem Produzenten. Das Lifestyleerlebnis des Besuchs auf dem Hof wird so schnell zur CO2-Belastung. Dies ändert sich auch bei einer Hausanlieferung nur wenig, da ja jedes Haus individuell angefahren werden muss. In Verbindung mit dem Wunsch nach direkte Kontakt ein kaum lösbares Dilemma.

Abschließend wird dann bei dem japanischen Landwirt, der seinen eigenen Treibstoff herstellt, auch noch indirekt suggeriert, dass sogar eine Treibstoffversorgung von der gleichen Fläche möglich ist. Dies ist natürlich einfach falsch. Bedingungen hin oder her. Und hier möchte ich einmal auf die globale Situation und die grundsätzliche Fehleinschätzung des Films zu sprechen kommen.

Ohne Zweifel gibt es in der Weltagrarwirtschaft kolossale Probleme. Global betrachtet muss die landwirtschaftliche Produktion intensiviert werden, ohne die Umwelt negativ zu beeinflussen. Dies sagt sich leicht, ist aber im Detail extrem schwierig. Dafür wurden im Film einige interessante und positive Beispiel und dokumentiert. Was aber nicht funktionieren wird, ist die Welt insgesamt mit extensiveren Systemen zu ernähren, wenn gleichzeitig der Fleischkonsum steigt (oder die Tierhaltung als Maßnahme der Intensitätsteigerung implizit mit einbezogen wird) und zusätzlich noch einen maßgeblichen Anteil der Energieversorgung auf dem Acker und dem Grünland zu erzeugen. Das wird nicht funktionieren. Leider läuft die Entwicklung aktuell gerade in diese Richtung.

Insofern ist aus meiner Sicht dem Schlusswort des Films nur beizupflichten. Es bedarf einer Allianz zwischen Produzenten und Konsumenten oder Konsumenten und Produzenten, je nach Perspektive. In der westlichen Welt, wo Hunger nicht das zentrale Problem ist, könnten Konsumenten wichtige Signale setzen. Ob das dann global zu gewünschten Effekten führt, ist eine andere Diskussion (Stichwort leakage) und führt hier zu weit. Zumindest wäre es ein Signal für mehr Qualität und mehr Wertschätzung. Auch hier laufen die großen globalen Trends in die gegenteilige Richtung.


Fazit: 
In dem Film wird ein extrem wichtiges und brisantes Thema behandelt. Einige Beispiele sind sehr  interessant und beachtenswert. Viele Fakten sind leider nicht korrekt oder - was immer viel schwieriger ist - nicht ganz korrekt bzw. unvollständig dargestellt. Nicht zu Wort kommen in dem Film beispielsweise ernstzunehmende Kritiker der extensiven Systeme und auch die Differenzierung  zwischen unterschiedlichen Ertragspotentialen und verschiedenen sozialen sowie gesetzlichen Rahmenbedingungen wird nicht gemacht. Wieso bei der Weltagrarfläche nur der Ackerbau (1,5 Mrd ha) und nicht das viel größere Grünland (mehr als 3 Mrd ha) behandelt wird, bleibt unverständlich. Unbeachtet bleiben auch die Klimawirkung und der Arbeitskräftebedarf der Produktion. Der Film wird daher dem eigenen Anspruch auf die vielfach beschworene Systembetrachtung leider nicht gerecht. Ein häufiger Sachverhalt in der Diskussion um Systemvergleiche. Ein ganzheitlicher Ansatz wird proklamiert und dann erscheint in der Darstellung und Analyse auch wieder nur eine Betrachtung von zusammenhangslosen Einzelaspekten.


PS Ich hatte ganz vergessen auf die Stellungnahme des wiss. Beirates für Agrarpolitik zur Thematik der Welternährung hinzuweisen (-> Veröffentlichung). Shame on me !!