Samstag, 20. Oktober 2012

Zwischenruf - Aktuelle Diskussion um das Greening

Der wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik im BMELV hat in seiner Arbeit zwei ganz wichtige Grundsätze. Alle Beratungen sind vertraulich und Gutachten werden im Konsens verabschiedet. Diese beiden Grundsätze sind für eine vertrauensvolle und sachgerechte Arbeit von großer Bedeutung und sollen nicht verletzt werden.

Am Rand der Sitzung in der letzten Woche gab es aber einige sehr interessante Informationen zum aktuellen Stand der Diskussion um das so genannte  "Greening" d.h. den Vorschlag von Agrarkommissar Ciolos zur Ausweisung von ökologischen Vorrangflächen im Umfang von 7 % der LN. In den verschiedenen EU-Ländern werden hier sehr unterschiedliche Konzepte diskutiert und in den Prozess eingebracht. Was sich dann letztendlich - allein oder als Kompromiss - durchsetzt, ist derzeit offen. Hierbei ist auch beachtenswert, daß durch den Vertrag von Lissabon das Parlament nun eine sehr gewichtige Rolle spielt.



Aber nun zum Greening:

So wird die Notwendigkeit der Ausweisung von 7 % auf jedem einzelnen Betrieb hinterfragt. Aus einigen EU-Ländern kommt der Vorschlag hier eine regionale Lösung zu schaffen. Dies würde bedeuten, daß Betriebe - und die Größer der Region ist dann ganz entscheidend - größere oder kleinere oder gar keine (?) Teile der Betriebe als Vorrangflächen ausweisen. Bei großen regionalen Einheiten besteht dann die Konsequenz, daß einfach nur weniger produktive Flächen aus der Produktion gehen. Denkbar sind hier eng gezogene Einheiten, um die Verteilung der Flächen zu gewährleisten. Hinsichtlich der regionalen Lösungen kommt der Vorschlag aus den Niederlanden.

Auch ob die Flächen wirklich auf jedem Betrieb sinnvoll sind, wird hinterfragt. Umweltverbände loben diesen Vorschlag offen ja sehr deutlich. Dass es sich  umgekehrt um eine wenig zielgerichtete  Massnahme handelt, wird aber in Hintergrundgesprächen mit den gleichen Umweltverbänden auch beklagt. Hier geht es dann wohl eher um Macht und Einfluss, als um sachgerechte Lösungen.

Bislang ist die 7%-Regel auf die LN beschränkt. Hier stellt sich die Frage, ob nicht auch noch Hecken und Randstreifen einbezogen werden sollten. Sachlogisch macht das Sinn, denn in diesen Bereichen sind ja erhebliche ökologische Leistungen konzentriert. Aus Sicht der Administration  - was für ein schönes Wort für "Verwaltung" - birgt dies aber große Probleme. Der Teufel steckt dann wirklich im Detail, denn solche Randstrukturen sind oft ja nicht einmal auf den Betriebsflächen, sondern gehören z.B. der Gemeinde. Was dann? Verpachtung von Hecken und Bewirtschaftung durch den angrenzen landwirtschaftlichen Betriebe? Das kann kompliziert werden.

Hinterfragt wird in einigen Diskussionen auch die jetzt vorgeschlagene Regelung der Ausnahme der ökologisch wirtschaftenden Betriebe (ÖL) vom Greening. Argument ist die extreme Spannweite der Wirtschaftsweisen im ÖL mit deutlichen Unterschieden im Intensitätsniveau. Sehr extensiven Betriebsformen mit zweifelsfrei großen ökologischen Leistungen, stehen hier sehr intensiven Formen (Import von organ. Dünger, Biogasanlagen) gegenüber, deren ökologische Leistungen eher angezweifelt werden müssen und wahrscheinlich auch geringer sind als bei extensiven Betrieben aus dem konventionellen Bereich. Hier ist zu beachten, dass die Regelungen in einigen europäischen Ländern hier einen erheblichen Spielraum haben und mit der Situation in Deutschland kaum vergleichbar sind, soll  heißen, die EU-Ökoverordnung wird bis zum Anschlag ausgereizt. Übrigens ein Sachverhalt, der in der öffentlichen Diskussion zu den Problemen des ÖL (Importe, Gesundheit) völlig ausgeblendet wird, aber das ist eine andere Geschichte.

Grundsätzlich, und das liegt auch auf der Linie mit den Ökobetrieben, wird das "Greening bei Definition" von einigen EU-Ländern wieder verstärkt ins Spiel gebracht. Hierbei wird argumentiert, daß Betriebe, die an einer Umweltzertifizierung teilnehmen vom Greening ausgenommen werden können. Insbesondere Frankreich hat dies wohl wieder in die Verhandlungen eingebracht. Auch hier gibt es viele "pros and cons", aber dies wäre zumindest etwas eher zielgerichtet als der aktuelle Vorschlag mit den 7 %.

Abschließend dann doch noch einmal die Position des wissenschaftlichen Beirates zum Greening insgesamt. Dies kann ich dokumentieren, da der Beirat dies in einer seiner letzten Stellungnahmen sehr klar abgelehnt hat. Der wissenschaftliche Beirat spricht sich hier aus Gründen der Politikkonsistenz für eine Stärkung der zweiten Säule aus.  Alle oben dokumentierten Vorschläge - und es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit - sind also aus Sicht des wissenschaftlichen Beirates "second best" Optionen. Aber wir sind halt oft in einer Welt des second, third, or something best.

Nachtrag:
Noch einmal ein kurzes Wort zu den aktuellen Entwicklungen beim Greening. Mein Blogbeitrag (s.o.) ist hier nun schon etwas überholt, deshalb hier eine Ergänzung. Also: Die Mitgliedsländern können sich wohl immer weniger mit einer erst angekündigten 7 % Ausweisung von ökologischen Vorrangflächen abfinden. Hier wird über eine Vielzahl unterschiedlichen Modellen nachgedacht. Sollte es aber zu einer vollständigen Aufweichung des ursprünglichen Vorschlages kommen  - was derzeit noch Niemand sagen kann - steht auch der Gesamthaushalt im Agrarhaushalt wieder auf der Kippe. Dieser war ja so nur avisiert worden, weil die Versicherung einer flächendeckenden Implementierung von Umweltmaßnahmen versprochen wurde. Das wird jedenfalls richtig spannend.