Samstag, 10. November 2012

Klimawandel und Extremwetter - Tagung des Dachverbandes Agrarforschung 2012

Die Tagung des Dachverbandes Agrarforschung (DAF) widmete sich am 8. und 9. November in Braunschweig dem Thema „Klimaveränderungen und Wetterextreme – ein Problem für die Landwirtschaft?“ Hierbei wurde versucht die verschiedenen Aspekte landwirtschaftlicher Produktion zu beleuchten, den gegenwärtigen Erkenntnisstand zu dokumentieren, aber auch die offenen Fragen und künftige Forschungsfelder zu identifizieren.
Gleich vorneweg: Dieser Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sobald die Präsentationen verfügbar sind und – noch später - die schriftliche Dokumentation im Agrarspektrum vorliegt, werde ich dies kundtun. Vorab hier das vollständige Programm aus diesem Jahr. 


Forum des Thünen-Institutes in Braunschweig

Aber nun zur Tagung:
Einleitend beschrieb Paul Becker, Vizepräsident des DeutschenWetterdienstes (DWD), den Stand der Szenarien für das Klima der Zukunft in Europa und der Bundesrepublik. Hierbei wurde deutlich, dass bei der Betrachtung von grundlegenden Entwicklungen eine gute Übereinstimmung bei den verschiedenen Modellergebnissen besteht. Dass es zukünftig wärmer und besonders im Sommer auch trockener werden wird, ist inzwischen unstrittig. Hinsichtlich der Vorhersage von Wetterextremen kann allerdings nicht von einem eindeutigen Bild gesprochen werden kann. Hier unterscheiden sich die Ergebnisse je nach betrachtetem Merkmal (Niederschläge, Temperatur, Windgeschwindigkeit) zum Teil ganz erheblich. Auch sind einige Trends hinsichtlich der Extreme nicht eindeutig – eine komplizierte Ausgangslage!

Die globalen Trends der Nahrungsmittelproduktion und –nachfrage stellten Christian Banse vom Thünen Institut (Braunschweig) und Thomas Herzfeld (IAMO, Halle) dar. Getrieben vom Bevölkerungswachstum und den geänderten Konsumgewohnheiten – mehr Fleisch besonders in Asien – wird der Bedarf nach Nahrungsmitteln in den nächsten Jahrzehnten beträchtlich ansteigen. Vor dem Hintergrund, dass die klimatischen Veränderungen besonders die ohnehin schon unter schwierigen Bedingungen leidenden Länder Afrikas und auch Asiens treffen wird, eine düstere Aussicht. 


Welche konkreten Folgen dies für die verschiedenen landwirtschaftlichen Bereiche haben wird und auf welche Weise eine Anpassung erfolgen kann, stand dann im Fokus der weiteren Vorträge.

Recht optimistisch war hierbei Léon Broers vom Zuchtunternehmen KWS (Einbeck). Auch nach seiner Einschätzung sind Klimawandel und Wetterextreme zwar wichtige Herausforderung, aber durch eine große Anzahl von Zuchtstationen in unterschiedlichen Klima- und Bodenregionen ist die Pflanzenzüchtung auch auf variable Bedingungen gut vorbereitet. Züchtung, so Broers, ist immer noch schneller als der Wandel  des Weltklimas. Bedingt optimistisch für die hiesige Situation war gleichermaßen Frank Ewert von der Universität Bonn. Bei den langfristigen Trends ist sicherlich eine Anpassung möglich. Schwieriger wird allerdings die Berücksichtigung von Wetterextremen. So zeigen Analysen von langjährigen Ertragsdaten unterschiedlicher Kulturen aus Deutschland, dass die extrem niedrigen Erträge oft nur lokal und nur bei einzelnen Kulturarten auftraten. Die Empfehlung von Frank Ewert lautete daher auch eine Diversifikation bei der Auswahl der Kulturarten zu erwägen, um das Risiko besser zu streuen. Bei der aktuellen Konkurrenzsituation der so genannten kleinen Kulturen eine sicherlich nur schwer umsetzbare Empfehlung.
Bärbel Gerowitt von der Universität Rostock lenkte den Blick dann auf Schädlinge und Unkräuter in einer neuen klimatischen Situation. Hier ergibt sich kein einheitliches Bild. Je nach ökologischer Anpassung werden unter warmen und trockenen Bedingungen einige Unkräuter eine stärkere Konkurrenzkraft entwickeln, während anderer Unkräuter mit den veränderten Bedingungen schlechter zurecht kommen, eventuell sogar völlig an Bedeutung verlieren werden. Ähnliches zeigte sich auch bei den Simulationen zur zukünftigen Entwicklung von Pilzkrankheiten an Kulturpflanzen. Frau Gerowitt betonte hierbei nachdrücklich, dass ein Lücke im Pathogenspektrum immer von anderen, dann besser adaptierten Organismen, ausgefüllt wird. Wie standortabhängig die optimalen Strategien einer Anpassung sein müssen, wenn zusätzlich auch noch die Treibhausgasemissionen der Produktion mit berücksichtigt werden, wurde von allen Vortragenden hervorgehoben.  


Auch im Bereich der Nutztierhaltung rücken die möglichen Folgen von Klimaveränderungen mehr und mehr in den Fokus der Forschung. Neben Anpassungen durch die Fütterung, wie dies Frank Dänicke vom Friedrich Löffler Institut (Braunschweig) darstellte, werden auch einige Pathogene in der Zukunft deutlich zunehmen. Auf diesen Sachverhalt wies Franz Conraths vom Friedrich Löffler Institut (Wusterhausen) sehr eindrucksvoll hin. Neben dem globalen Handel ist seiner Meinung nach die Klimaveränderung der zweite zentrale Treiber für das vermehrte Auftreten von Krankheiten aus den Tropen und Subtropen in den gemäßigten Breiten. Hierbei sind beileibe nicht nur Tierkrankheiten betroffen, sondern auch viele Humanpathogene machen sich auf den Weg nach Europa, wenn es wärmer und trockener wird.

Alle Teilaspekte der Anpassung aber auch der Gegenmaßnahmen laufen dann auf dem landwirtschaftlichen Betrieb zusammen. Hier gibt es klassische Instrumente der Risikoabsicherung, wie die Hagelversicherung. Doch gerade auf der Betriebsebene sind im Umgang mit Risiken noch viele Fragen offen. So hat Oliver Mußhoff von der Universität Göttingen vorgestellt, dass je nach Betriebsausrichtung und Risikoerwartung ganz unterschiedliche Instrumente gewählt werden sollten. Dies reicht von der klassischen Versicherung bis zu Preisabsicherungen über Veränderungen der Betriebsstruktur bis zur Nutzung von Warenterminmärkten. 

Welchen Beitrag hier dann der ökologischer Landbau leisten kann, dokumentierte Andreas Gattinger vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FIBL) aus dem schweizerischen Frick. Auch wenn der ökologische Landbau weltweit derzeit flächenmäßig nur eine kleine Rolle spielt, sollten die positiven Wirkungen z.B. bei der Bindung von organischer Substanz im Boden stärker beachtet werden. Gattinger wies hier auf eine aktuelle Studie unter seiner Leitung aus dem FibL hin. 

Noch ein kurzes abschließendes und persönliches  Resümee:
Die diesjährige Tagung hat deutlich gemacht, dass die Klimafolgenforschung in den Agrarwissenschaften eine gewichtige, ja zentrale Rolle einnimmt. Recht intensiv wird dies in der Pflanzenproduktion und auch immer stärker in der Forschung zur Nutztierhaltung berücksichtigt. Noch mehr in den Fokus sollte aus meiner Sicht die Reaktion des gesamten landwirtschaftlichen Betriebes gerückt werden. Spezialisierte Betrachtungen sind wichtig und notwendig, aber auf der Betriebsebene sind mittel- und langfristig noch ganz andere Reaktionen möglich. Wenn man alleine in einem größeren geographischen Maßstab die Betriebsformen vergleicht ist offensichtlich, dass – stark vereinfacht - Übergänge von Tierproduktion (sehr trocken) zu Ackerbau (gemäßigt) und wieder zu Tierproduktion (sehr feucht) stattfinden. Gemischtbetriebe einmal nicht berücksichtigt. Dies muss für langfristige Abschätzungen auch abgebildet werden, denn es wird Warenströme und auch wieder die Freisetzung oder Bindung von Treibhausgasen weltweit verändern. Ganz zu schweigen von den notwendigen Veränderungen in Betriebsorganisation, Know-how usw. usw.

Die Forschungsthemen werden nicht ausgehen. 

gez. O. Christen

PS Die Präsentationen zu den Vorträgen sind jetzt online.