Die Akzeptanz für die moderne Landwirtschaft ist auf einem
neuen Tiefpunkt. Die hierfür verantwortlichen Sachverhalte sind allen
Beteiligten geläufig und reichen vom Antibiotikaeinsatz über die
Umweltwirkungen von Pflanzenschutzmitteln bis zum Verlust der Biodiversität. Teilweise
medial verfälscht und übertrieben, vom Grundsatz aber kaum zu bestreiten. Auch
die Qualität der Nahrungsmittel wird in der Öffentlichkeit immer mehr in Frage
gestellt. Welche Vorwürfe hier berechtigt, welche überzogen und welche auch fachlich
schlicht falsch sind, will ich hier nicht diskutieren. Die gesellschaftlichen
Konsequenzen sind davon ohnehin nicht berührt. Das Vertrauen ist verloren
gegangen. Welches Bild die Landwirtschaft liefert, hatte ich ja schon hier beschrieben. Vielerorts wird vom Verlust der Deutungshoheit gesprochen.
Gespräche und Diskussionen um die zukünftige Entwicklung der
Landnutzung, entwickeln sich dann häufig in eine ähnliche Richtung. Die
Probleme der Landwirtschaft werden entweder vollständig negiert oder zumindest stark verharmlost und als eigentliche Ursache der Probleme wird demgegenüber eine mangelnde Sachkenntnis von
„Städtern“ identifiziert. Eine Mischung aus dubiosen Umweltorganisationen mit
dem alleinigen Geschäftsmodell der Spendensammlung in Kombination mit
gleichermaßen inkompetenten und bösartigen Medien trägt permanent zu einer Verschlimmerung
der Situation bei.
Soweit so gut, soweit so schlecht – das soll als Analyse der
Situation genügen.
Welche Lösungsansätze werden nun seitens der Branche
erwogen?
Entweder es wird versucht durch Kampagnen in den klassischen oder den neuen Medien größere Transparenz zu ermöglichen und die Bevölkerung zu informieren und Verständnis zu schaffen. Tage des offenen Hofes, Hoffeste und Webcams sind hier einige Beispiele. Vielleicht ein erster Schritt, aber seien wir ehrlich: Bei meinem Tischler, Dachdecker oder Automechaniker würde ich mir auch keine Webcam ansehen. Im Endeffekt ist eine ständige mediale Teilnahme am Arbeitsleben von bestimmten Berufsgruppen wohl kaum nachgefragt. Hier überschätzt nach meiner Ansicht die Landwirtschaft ihre Bedeutung. Kurzum: Information und Transparenz sind wichtig, aber reichen sicherlich nicht aus. Ob Bauer Meiermüllerschulze nun schon wieder morgens im Stall steht, oder noch Heu macht, obwohl ich geruhsam auf der Terrasse sitze ist mir – mit allem Respekt –persönlich schlicht egal. Bei mir fragt auch keiner nach ob ich Vorlesung habe, Prüfungen abhalte oder eine Gremiensitzung am Wochenende leite. Das möchte ich wirklich auch niemandem zumuten.
Entweder es wird versucht durch Kampagnen in den klassischen oder den neuen Medien größere Transparenz zu ermöglichen und die Bevölkerung zu informieren und Verständnis zu schaffen. Tage des offenen Hofes, Hoffeste und Webcams sind hier einige Beispiele. Vielleicht ein erster Schritt, aber seien wir ehrlich: Bei meinem Tischler, Dachdecker oder Automechaniker würde ich mir auch keine Webcam ansehen. Im Endeffekt ist eine ständige mediale Teilnahme am Arbeitsleben von bestimmten Berufsgruppen wohl kaum nachgefragt. Hier überschätzt nach meiner Ansicht die Landwirtschaft ihre Bedeutung. Kurzum: Information und Transparenz sind wichtig, aber reichen sicherlich nicht aus. Ob Bauer Meiermüllerschulze nun schon wieder morgens im Stall steht, oder noch Heu macht, obwohl ich geruhsam auf der Terrasse sitze ist mir – mit allem Respekt –persönlich schlicht egal. Bei mir fragt auch keiner nach ob ich Vorlesung habe, Prüfungen abhalte oder eine Gremiensitzung am Wochenende leite. Das möchte ich wirklich auch niemandem zumuten.
Als zweite Reaktionsmöglichkeit wird dann zunehmenden
versucht, die Mittel und Wege der öffentlichen Diskussion aus dem
zivilgesellschaftlichen Bereich zu kopieren. Gruppen von Landwirten
organisieren sich – teilweise verdeckt - im Internet und erzeugen bei
unliebsamen und / oder falschen Berichten in den Medien große Unruhe in den
Kommentarfunktionen oder bei Facebook und Twitter. Veränderungen bei
Fernsehsendungen auf Grund solcher „Shitstorms“ werden dann als großer Erfolg
gewertet á
la „was die können, können wir auch“. Na super! Die Landwirtschaft begibt sich
hier dann auf das gleiche, niedrige Niveau, der persönlichen Beschimpfung und
verbalen Entgleisungen.
Glaubt eigentlich wirklich jemand, dass solche Maßnahmen
dann mittel- und langfristig die Akzeptanz verbessern, wobei allen Beteiligten
bewusst ist, dass die Entfremdung von der Landwirtschaft allein aus demographischen
und ökonomischen Gründen unweigerlich weiter voranschreiten wird?
Nach meiner Ansicht sollten hier zusätzliche Wege und Option
ausgelotet werden, denn sicherlich versteht der „Städter“ (ich verzichte hier auf
Gendermainstreaming) die landwirtschaftliche Produktion nicht mehr.
Aber Gleiches gilt nach meiner Beobachtung auch umgekehrt. Die Bevölkerung auf dem Lande hat den
Kontakt zu gesellschaftlichen Strömungen im urbanen Umfeld offensichtlich überwiegend
verloren. Arbeits- und Erlebniswelten waren noch nie so unterschiedlich wie
heute. Information reicht hier nicht aus, um Gegensätze zu
überbrücken. Ob dies als persönliche Beobachtung ausreichend ist?
Sicherlich ist die Antwort nein, aber wenn ich hier die Situation falsch einschätze, umso besser. Sollte ich richtig liegen, würde ich wie folgt argumentieren. Was kann nun passieren?
Sicherlich ist die Antwort nein, aber wenn ich hier die Situation falsch einschätze, umso besser. Sollte ich richtig liegen, würde ich wie folgt argumentieren. Was kann nun passieren?
Der erste und wichtigste Schritt ist die Beseitigung der tatsächlichen
Probleme. Nur wenn die offensichtlichen Fehlentwicklungen korrigiert werden,
kann eine weitere Diskussion oder Neu-Positionierung erfolgreich sein. Keine
potemkinschen Dörfer – heute heißt dies dann ja eher „window dressing“- sondern reale Fortschritte. An dieser Stelle nicht diskutiert - weil dies oft Beißreflexe auslöst - ist die Frage nach den Ursachen, die in der Regel in einer Mischung aus Politikempfehlungen, Marktentwicklung und Einzelentscheidungen zu finden sind. Die Probleme sind keine Erfindungen von zivilgesellschaftlichen
Gruppierungen oder Parteien mit Umweltschwerpunkt, sondern werden oft auch in der
Wissenschaft in gleicher Weise kritisch diskutiert. Wenn man als
Wissenschaftler, das nur am Rande, auf diese Sachverhalte hinweist, ergießt
sich inzwischen in den Kommentaren der landwirtschaftlichen Presse auch ein entsprechender
„shitstorm“. Nicht zuletzt auch ein Grund, weshalb in der Wissenschaft die
beschriebene Vorgehensweise in den landwirtschaftlichen Medien und Verbänden
sehr kritisch gesehen wird.
Anschließend stellt sich aber natürlich die Frage, ob die
sachgerechte Adressierung von Problemen ausreichen wird oder ob es noch
weitere Möglichkeiten gibt.
Ich denke nein. Nach meiner Überzeugung sollte die gesamte
Branche versuchen gesellschaftliche Strömungen der „ach so bösen Städter“
aufzunehmen und nicht nur den Dialog suchen, sondern auch Produkte und wie es
heute so schön im Marketing heißt „Erlebnisse liefern“. Große Teile des
Ökolandbaus beschreiten diesen Weg. Aber hier gibt es mehr Optionen und dem
Interesse an Ernährung und Landwirtschaft sollte die Branche vorurteilsfrei
begegnen und sogar als Chance betrachten.
Einige Beispiele: die Bedeutung von Mikrobrauereien (engl.
Craft Biere) ist erheblich angestiegen, es gibt eine Bewegung zur Produktion in den Städten (engl. Urban Gardening). Der gute alte Schrebergarten erscheint
hier in neuem Gewandt. Aber eben nicht mit deutscher Vereinsmeierei und
Feinrippunterwäsche – bedienen wir einmal Klischees - , sondern schrill
und unkonventionell. Junge Leute tanzen die ganze Nacht auf „Schnippeldiskos“
zerkleinern Gemüse und essen anschließend gemeinsam einen selbst zubereiteten
Eintopf. Und am Qualitätsende der Skala gibt es so etwas wie Slow Food oder die
Küchenguerilla, wo Wertschätzung und Qualität von Nahrungsmitteln im Vordergrund
stehen. Die Menschen scheuen hier weder Mühen noch Kosten für ihre Vorstellung
von guter Küche.
Ohne Zweifel sind hier soziale Gruppen aktiv, die der
ländlichen Bevölkerung fremd sind. Sie sind laut, sie sind tätowiert, sie sind
gepierct, hören eine andere Musik und lesen andere Bücher oder surfen im „deep web“ (auch hierin gaaaanz tiefer Griff in die Vorurteilskiste).
Aber auch diese Menschen haben
Ansprüche, sie haben eine Botschaft und sie sind die gesellschaftliche
Avantgarde. Ich höre hier schon die Gegenargumente: 75 Prozent der Verbraucherinnen
und Verbraucher kaufen nur nach dem Preis. Richtig. Aber die restlichen 25
Prozent sind auch ein Markt und – was viel wichtiger ist – sind die
Meinungsbildner von heute oder zumindest von morgen, die somit in den nächsten Jahren die politische Diskussion bestimmen werden.
Und was macht die
Branche? Sie kontert mit Transparenz von Produktionsmethoden die abgelehnt
werden, der Erfüllung von gesetzlichen Standards und argumentiert abschließend mit Kostenführerschaft. Kann das
gut gehen? Ich stelle dies in Frage.
Versuchen wir die Strömungen zu verstehen und nicht zu bekämpfen und machen wir
auch diesen Menschen ehrliche (!) Angebote mit höchster Qualität der Produkte
und Produktionsmethoden sowie Authentizität in der Vermittlung. Vermutlich nur
eine Nische, aber eine Nische, die die Tragfähigkeit der Landwirtschaft dauerhaft verbessern könnte und wieder eine bessere Verbindung zwischen den Ansprüchen der unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen schafft.
Ein Versuch wäre es wert.
OC
PS heute (7.12.2014) erschien dieser Beitrag im Feuilleton der FAZ, übrigens entdeckt, nachdem ich den Blog geschrieben hatte. Wie heißt es im Englischen so schön: Do I have to say more?
Das Bild stammt aus dem Film "Das große Fressen" von 1973 |