(Rede anlässlich des Besuchs der Thaer-Gesellschaft am 15.6.2013 in Halle)
Weizenerträge von knapp 1 t/ ha, eine Milchleistung von kaum mehr als 1000 l/ Jahr eine Lebenserwartung von statistisch nicht einmal 40 Jahren und mehr als 80 % der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig. Wenn wir diese Zahlen hören, schaudert es uns, wohl wissend, dass in einigen Ländern dieser Welt solche Zahlen heute traurige Realität sind. Dies war aber die Realität des beginnenden 19. Jahrhunderts in dem, was wir heute Deutschland nennen. Aber die Fakten waren noch bedrückender. Ältere im Dorf oder aus der Familie werden Julius Kühn noch von der großen Hungersnot 1771 bis 1772 in Sachsen und der Lausitz erzählt haben, der vermutlich viele tausend Menschen zum Opfer gefallen sind. 1816 ging als „Jahr ohne Sommer“ in die Geschichte ein. Die Getreideernte fiel niedrig aus und die Preise für Weizen und Roggen explodierten. Der Grund lag auf der anderen Seite der Welt, denn ausgelöst durch den Ausbruch des Vulkans Tambora im April 1815 in der Nähe der Insel Java im heutigen Indonesien war es weltweit zu Veränderungen des Klimas gekommen. Auch die Kartoffelfäule 1845 bis 1849, bei der vermutlich mehr als 1 Mio. Menschen verhungert sind und die gleiche Anzahl sich auf den Weg nach Amerika machte, hat die Menschen beeinflusst. All dies schien die These des Engländers Robert Thomas Malthus zu bestätigen, der 1798 seinen berühmter „Essay on the Principle of Population“ veröffentlichte und hierbei argumentierte, dass bei dem aktuellen Wachstum der Bevölkerung und den mageren Steigerungsraten der Landwirtschaftlichen Produktion die Katastrophe unausweichlich sei. Übrigens ein Sachverhalt, der einige Jahre zuvor schon von einem chinesischen Autor beschrieben worden war.
Weizenerträge von knapp 1 t/ ha, eine Milchleistung von kaum mehr als 1000 l/ Jahr eine Lebenserwartung von statistisch nicht einmal 40 Jahren und mehr als 80 % der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig. Wenn wir diese Zahlen hören, schaudert es uns, wohl wissend, dass in einigen Ländern dieser Welt solche Zahlen heute traurige Realität sind. Dies war aber die Realität des beginnenden 19. Jahrhunderts in dem, was wir heute Deutschland nennen. Aber die Fakten waren noch bedrückender. Ältere im Dorf oder aus der Familie werden Julius Kühn noch von der großen Hungersnot 1771 bis 1772 in Sachsen und der Lausitz erzählt haben, der vermutlich viele tausend Menschen zum Opfer gefallen sind. 1816 ging als „Jahr ohne Sommer“ in die Geschichte ein. Die Getreideernte fiel niedrig aus und die Preise für Weizen und Roggen explodierten. Der Grund lag auf der anderen Seite der Welt, denn ausgelöst durch den Ausbruch des Vulkans Tambora im April 1815 in der Nähe der Insel Java im heutigen Indonesien war es weltweit zu Veränderungen des Klimas gekommen. Auch die Kartoffelfäule 1845 bis 1849, bei der vermutlich mehr als 1 Mio. Menschen verhungert sind und die gleiche Anzahl sich auf den Weg nach Amerika machte, hat die Menschen beeinflusst. All dies schien die These des Engländers Robert Thomas Malthus zu bestätigen, der 1798 seinen berühmter „Essay on the Principle of Population“ veröffentlichte und hierbei argumentierte, dass bei dem aktuellen Wachstum der Bevölkerung und den mageren Steigerungsraten der Landwirtschaftlichen Produktion die Katastrophe unausweichlich sei. Übrigens ein Sachverhalt, der einige Jahre zuvor schon von einem chinesischen Autor beschrieben worden war.
Das
war also die Zeit Julius Kühns.
Der junge Julius Kühn |
Überliefert
ist der frühe Wunsch Julius Kühns Landwirt zu werden. Nach der Ausbildung auf dem Gut Wachau wurde Julius Kühn
Verwalter auf verschiedenen Betrieben. Ein wichtiger Schritt, um
unterschiedliche Standortbedingungen und Wirtschaftsweisen kennen zu
lernen. Eine Zeit von acht Jahren,
schon verbunden mit ersten Forschungsarbeiten, verbrachte Julius Kühn dann auf
dem schlesischen Gut Groß-Krausche im heutigen Bolesławiec (ehemals Bunzlau) in
Niederschlesien. Dass er in dieser Phase bereits mit Forschungsarbeiten begann,
ist vielfach dokumentiert. Es reifte in ihm in dieser Zeit auch der Wunsch,
seine Ausbildung im Rahmen eines Studiums weiter zu vertiefen. Wenn ein 30-Jähriger heute in die
Studienberatung kommt, würde man sehr ernst nach der Motivation fragen und klar
vor Augen führen, dass er sich der Beginn eines Studiums in diesem Alter sehr
gut überlegt werden sollte. Die Anforderungsprofile der heutigen Zeit kennen
sie alle. Ein Studienbeginn mit fast 30 Jahren ist da nicht vorgesehen. Aber
auch an dieser Stelle dürfen wir Julius Kühn, sein Leben, seine Zeit nicht aus
unserer Perspektive Betrachten. Viele große Wissenschaftler des 19. Jh.,
besonders in der sich langsam entwickelnden neuen Wissenschaft Biologie hatten
nach unserem heutigen Verständnis keine formale Ausbildung. Charles
Darwin (Jahrgang 1809) hatte ein Medizinstudium in Edinburgh abgebrochen
und anschließend Theologie in Cambridge studiert und dies auch 1831 mit dem
Bakkalaureus in Theologie abgeschlossen. Die Teilnahme an der berühmten Fahrt
mit der Beagle ist ja im Wesentlichen durch die persönliche Fürsprache seines
Lehrers John Stevens Henslow zu verdanken. Gregor
Mendel (Jahrgang 1822), der sich schon seit frühester Jugend für Natur
interessierte, war auf Grund der finanziellen Situation zu einem theologischen
Studium gezwungen, hat sich später auch naturwissenschaftlich immer wieder
fortgebildet. Scheiterte aber mit seiner Lehramtsprüfung. Es gibt aber auch im 19. Jahrhundert in
den Agrarwissenschaften schon Gegenbeispiele: Herrmann Hellriegel (Jahrgang 1831), Sohn eines Landwirts,
studierte an der Land- und Forstwirtschaftlichen Akademie in Tharandt, bevor er
seine wissenschaftliche Laufbahn begann.
Julius
Kühn blieb konsequent und immatrikulierte sich mit fast 30 Jahren in Bonn
Poppelsdorf für das Studium der Landwirtschaft. Dass er diese Ausbildung
bereits nach einem Jahr beendete, erscheint uns heute in den Zeiten der
strukturierten Studiengänge verwunderlich, unterstreicht aber die
außerordentliche Begabung Julius Kühns und die Flexibilität der damaligen
Prüfungsordnungen. Anschließend
erfolgte sehr zügig seine Promotion in Leipzig (1857) und Habilitation an der
Akademie in Proskau – institutionell neben Möglin ein Vorläufer der
landwirtschaftlichen Hochschule Berlins - in Schlesien mit Aufnahme der
Lehrtätigkeit im Wintersemester 1856/57 zu dem – dies sei mir pro domo
gestattet – mit dem wunderbaren Thema Ackerbausysteme und Fruchtfolgen. Ab 1857 konzentrierte sich Kühn dann
allerdings wieder auf die landwirtschaftliche Praxis und übernahm die
Bewirtschaftung der Betriebe des Grafen Egloffstein in Niederschlesien
(Schwusen als Wohnsitz) für insgesamt fünf Jahre. Da war also ein akademisch
gebildeter Gutsverwalter in der Mitte des 19. Jahrhunderts und bis zu diesem
Zeitpunkt war die weitere Entwicklung noch nicht absehbar.
Wie
nun kam Julius Kühn nach Halle an die Universität, was machte er mit dieser
Universität und was – sofern sich dies heute noch rekonstruieren lässt – machte
das universitäre Leben mit ihm?
Aber
blicken wir zuerst in die Geschichte der Agrarwissenschaften, damit nicht der
Eindruck entsteht, landwirtschaftliche Ausbildung an Universitäten wäre erst im
19. Jahrhundert entstanden. Im Gegenteil: Landwirtschaftliche Ausbildung in
Halle hatte eine Tradition bis zu den Anfänge der Hallenser Universität.
Christian Thomasius (1655 – 1728), Begründer der juristischen Fakultät in
Halle, behandelte 1678 in seiner Inauguraldisputation in Leipzig das Thema “Von
dem Recht, was bei Früchten oder dem Getreide, so in Halmen und Ähren schießet,
zu beachten“. Auch der Leibnitz-Schüler und Mathematiker Christian Wolf (1679
-1754) befasste sich in seinen Vorlesungen mit landwirtschaftlichen Fragestellungen.
Der Titel einer seiner Schriften mag als Beispiel dienen: „Entdeckung der
wahren Ursache von der Wunderbahren Vermehrung des Getreydes“ (1725). Und seit 1727 wurden durch den Ordinarius für
Ökonomie Simon Peter Gasser (1676
– 1745) Fragen der Verwaltung landwirtschaftlicher Betriebe im Studium
aufgegriffen. Das Wissen um die
naturwissenschaftlichen Grundlagen war allerdings noch gering. Lehrbücher noch
nicht vorhanden.
Es
beginnt, wie so vieles in der deutschen Landwirtschaft, mit Albrecht Thaer, der in seinem
dreibändigen Werk“ Einleitung zur Kenntnis der englischen Landwirtschaft...“
erschienen 1788 bis 1804, die Idee entwickelte eine Akademie für Landwirtschaft
zu etablieren. Diese sollte, so Thaer,
zwei Zielen dienen: der Ausbildung von praktischen Betriebsleitern einerseits,
aber auch der wissenschaftlichen Forschung und Lehre.
Verwirklicht
wurde dieses Prinzip von Thaer selbst nur unzureichend. Thaer verfolgte seinen
Plan aber weiter und pachtet, nachdem ihm selbst seine Möglichkeiten in Celle
zu eingeschränkt waren, das Klostergut Weende vor den Toren Göttingens. Die
Verbindung von Universität und landwirtschaftlicher Ausbildung scheiterte
jedoch an der Besetzung Hannovers durch die Franzosen 1803. Wir befinden uns 60
Jahre vor der Gründung in Halle. Freiherr von Hardenberg konnte Thaer dann nach
Preußen bewegen und so wurde 1806 eine Lehranstalt auf dem Rittergut Möglin
eröffnet. Diese diente als Demonstrationsobjekt, es war aber eine rein
praktische Ausbildung. Thaer konnte hier somit seine eigenen Ideale nur
unzureichend verwirklichen. Jedoch war der Zuspruch groß: 1809 weist die
Statistik bereits 109 Studierende auf. Dieses Beispiel führte in den
verschiedenen Regionen Deutschlands zu einer ganzen Reihe von ähnlichen
Gründungen. In Preußen fanden in den nächsten Jahren kaum weitere Aktivitäten
statt. Vermutlich waren die Wirren der Nachkriegszeit, aber auch die sich sehr
schnell ändernden Besitz- und Vermögensverhältnisse die Ursache. 1821 sollte in
dem kleinen Ort Eldena nahe Greifswald eine neue Akademie für Landwirtschaft
unter der Leitung von Friedrich Gottlob Schulze gegründet werden, der diesen
Ruf, nach der dritten Erteilung, erst 1834 annahm. Die Verbindung zwischen
Universität und Akademie scheiterte jedoch. Die Quellen berichten von Missgunst
der Ordinaren wegen der rasch wachsenden Akademie und der Verwendung der
universitären Mittel für den Ausbau und den Landkauf. Schulze verließ 1839 die
Akademie und ging mit seinen Schülern zurück nach Jena. In Preußen wurden 1842
in einem kleinen Städtchen in der Nähe von Stettin unter Karl Sprengel, einem
Schüler Thaers aus Möglin, eine landwirtschaftliche Akademie gegründet, die
allerdings nach dessen Tod 1859 wieder eingestellt wurde.
Ich
zitiere jetzt wörtlich aus der Rede von Gustav Fröhlich anlässlich des 100.
Geburtstages von Julius Kühn 1925:
„Ein Hauptgrund, weshalb die Förderung des höheren
landwirtschaftlichen Unterrichtswesens in Preußen nicht recht vorankommen
wollte, dürfte wohl in den ungeklärten Ressortverhältnissen zu suchen sein. Die
Staats- und landwirtschaftliche Akademie in Eldena unterstand, zunächst
wenigstens, dem Kultusministerium. Dieses scheint nach den Greifswalder
Erfahrungen keine sonderliche Neigung gehabt zu haben, das Experiment auch auf
andere Universitäten auszudehnen. Als im Jahre 1845 die Einrichtung mehrerer
höherer landwirtschaftlicher Lehranstalten beschlossen worden war, oblag die
Ausführung dieses Beschlusses dem Ministerium des Inneren, dem das
Landesökonomie-Kollegium als technische Behörde zur Seite stand. (...) 1848
wurden die landwirtschaftlichen Lehranstalten dem Ministerium für Handel und
Gewerbe unterstellt und später dem inzwischen gegründeten landwirtschaftlichen
Ministerium übertragen“
Doch
auch in der praktischen Landwirtschaft selbst stand man dieser Frage
unentschlossen gegenüber. So gab es auf der 26. Versammlung der Land- und
Forstwirte im August 1853 Nürnberg den Tagesordnungspunkt: „Kann man an den
höheren Landwirtschaftlichen Lehranstalten in zwei Jahren die Landwirtschaft
wissenschaftlich und praktisch erlernen?“ Der Punkt wurde auf der Tagung nicht
mündlich verhandelt, es gab aber
schriftliche Äußerungen. Eine dieser schriftlichen Stellungnahmen stammt von
Julius Kühn, der eindeutig Stellung bezieht und für eine wissenschaftliche
Ausbildung im landwirtschaftlichen Bereich eintritt. Ein Zitat aus dieser
Stellungnahme:
„Studieren hat seine Zeit und Pflügen und Säen hat
auch seine Zeit. „
Schon
hier deutet sich die Klarheit an, mit der Julius Kühn sein Ziel ins Auge
gefasst hatte und das er in den nächsten Jahrzehnten mit großem Nachdruck
verfolgen sollte.
In
einem seiner ersten Bücher beschreibt Julius Kühn sehr eindringlich, aber auch
sehr persönlich, wie er selbst zu diesen Überlegungen gekommen ist.
„Nachdem betont ist, dass die Zeit des Landwirts eine
sehr beschränkte sei, dass vom frühen Morgen bis späten Abend seine
Aufmerksamkeit vollauf in Anspruch genommen werden, heißt es: „ ist aber die
Herbstbestellung beendet, sind die Stoppeln gestürzt, Kartoffeln und Rüben
geerntet, dann sind auch die langen Winterabende gekommen, und so Mancher weiß
nicht, was er mit sich anfangen soll. Allen und jeden Abend lässt sich nun doch
mal keine Whist- oder Skatpartie arrangieren, selbst wenn sich der Herr Pastor
zum dritten oder vierten Mann
versteht. Man versucht allenfalls Weib und Kind mit Karten zu versehen, aber so
wird die Sache bald langweilig (...). So schleichen die Wintermonate hin und
man sehnt sich nach dem Frühjahr. Nun, auf das letztere freut sich wohl jeder
Landwirt, denn seine volle Befriedigung findet er doch nur in dem Wirken und
Schaffen auf Feld und Flur; jene langen Winterabende aber, dächte ich, lassen
sich auch besser benutzen als sie von vielen, sehr vielen benutzt werden.
Gewährt man den geselligen Freuden noch so viel Raum, man wird dennoch Zeit
übrigbehalten, um an seiner geistigen Fortbildung zu arbeiten„
Derweil
gab es in Sachsen weiter Bestrebung die landwirtschaftliche Ausbildung zu
verbessern. Der landwirtschaftliche Zentralverein in Sachsen wies immer wieder
darauf hin, dass für eine blühende Landwirtschaft auch eine höhere
landwirtschaftliche Lehranstalt nötig sei. 1843 hatte der Provinziallandtag
nach einer Petition des Zentralvereins auf eine Verbindung mit der Universität
in Halle hingewiesen.
1860
starb dann Friedrich Gottlob Schulze in Jena – wir erinnern uns. Er war 1839
nach dem kurzen Intermezzo aus Eldena wieder nach Jena gekommen. Und nun gab es
in der ganzen Region keine entsprechende Ausbildungsstätte mehr. Im Mai 1862
erfolgte dann der Ruf an Julius Kühn, nachdem er vorher einen Ruf nach Berlin
auf eine vergleichbare Stelle abgelehnt hatte. Am 28. Oktober 1862 begann der
neuernannte Professor mit seinen Vorlesungen.
Sein
Lehrkonzept bestand aus den drei Richtungen:
·
Fachvorlesungen in den Gebieten Acker- und
Pflanzenbau, Tierzucht und Betriebslehre
·
Naturwissenschaftliche Grundlagen in deutscher und
lateinischer Sprache
·
Theoretische und praktische Übungen und
Demonstrationen
Um
hier nochmals Julius Kühn zu zitieren:
„Wir wollen unsere jungen Mitarbeiter von jeder
geistigen Isolation fernhalten und ihr Fachwissen zunächst gut und dauerhaft
unterbauen. Zugleich wollen wir ihnen raten, sich mit der Philosophie und mit
allen freien Künsten auf Du und Du zu stellen, denn entgehen sie am ehesten der
Gefahr, den Stollen, in dem sie forschend vorwärts dringen, für die Welt zu
halten“
Der
Zuspruch war allerdings anfangs gering und für Kühn enttäuschend. Neben einigen
Juristen und zwei Theologen hatte sich nur ein Landwirt aus der Provinz Sachsen
eingefunden. Wären Kühn nicht zwei Schüler aus Schlesien gefolgt, hätte dies
schon das Ende der neuen Ausbildung sein können. Julius Kühn wurde zu diesem Zeitpunkt durch den damaligen
Bürgermeister von Halle auf das vor der Stadt liegende Gelände des
Wuchererschen Erbes aufmerksam gemacht. Die Bedingungen waren sehr gut. Das
Gelände umfasste 7 Morgen Garten, einen Morgen Wiese, Haupt- und Nebengebäude
und vier Gewächshäuser. Insgesamt eine gute Gelegenheit.
Bei
der Berufung von Julius Kühn an die Universität waren allerdings neben den
persönlichen Bezügen keine weiteren Mittel zur Verfügung gestellt worden und
der damalige Kurator von Beurmann
riet deshalb wiederholt vom Kauf ab. Er ist mit dem Zitat überliefert:
„Wenn sie mehr brauchen als ihre persönlichen Bezüge,
treten sie lieber zurück“
Kühn finanzierte den Kauf dann aus eigenen Mitteln
beantragte aber kurz darauf die Pachtung der Besitzungen durch die Universität.
Einrichtungskosten von 13000 Talern und 5500 Taler jährlich sollten dafür
angesetzt werden. Dem wurde nicht vollständig entsprochen, aber auf aller
höchstes Geheiß aus Berlin, wurde eine Summe zur Unterstützung des laufenden
Betriebs zugewiesen.
In
der Folge betonte Kühn immer
wieder, dass die Landwirtschaftswissenschaften fest in die Universität
verankert werden müssten. Noch ein Zitat aus dem Jahr 1863:
„Die Landwirtschaftswissenschaft stützt sich
allerdings in ihrer Lehre vom Anbau der Pflanzen und der Zucht der Tiere auf
die Naturwissenschaften, wie sie in ihren allgemeinen Teilen auf der Volkswirtschaftslehre ruht;
sie hat diesen, ihren Grundwissenschaften die leitenden Ideen und Prinzipien zu entnehmen und dadurch erscheint sie an sich selbst als solche angewandte Naturwissenschaft und Volkswirtschaftslehre.
Sie ist aber zugleich vermögen ihrer inneren Einheit und organischen Gliederung eine selbstständige Wissenschaft, die ihren besonderen Erfahrungskreis besitzt, in dem sie zu unterweisen und zu forschen hat.“
sie hat diesen, ihren Grundwissenschaften die leitenden Ideen und Prinzipien zu entnehmen und dadurch erscheint sie an sich selbst als solche angewandte Naturwissenschaft und Volkswirtschaftslehre.
Sie ist aber zugleich vermögen ihrer inneren Einheit und organischen Gliederung eine selbstständige Wissenschaft, die ihren besonderen Erfahrungskreis besitzt, in dem sie zu unterweisen und zu forschen hat.“
Mit
diesem klaren Konzept stiegen sehr schnell die Studierendenzahlen in Halle.
Waren es im zweiten Semester schon 17 Landwirte, wuchs die Zahl im fünften
Semester schon auf 122 und blieb alle folgenden Jahrzehnte in diesem Bereich. Übrigens
mit einer bemerkenswert hohen Anzahl von ausländischen Studierenden. Julius Kühn wurde nicht müde die
Gebäudeausstattung am Standort zu verbessern. So wurde ein botanischer Garten
ausgestaltet, ein Haustiergarten erstellt und die Tierklinik einschließlich
einer Maschinenhalle errichtet. Oftmals trat Kühn hier wieder mit eigenen
finanziellen Mitteln in Vorlage. 1866 wurden 6,25 ha für die Einrichtung eines
Versuchsfeldes gepachtet. Nach zwei Jahren war diese Fläche schon auf fast 30
ha gewachsen. Bis 1901 erreichte die Versuchsfläche mehr als 110 ha. Um Julius Kühn in Lehre und Forschung zu
unterstützen, wurde eine Reihe von Lektoraten geschaffen, die später teilweise
in ordentliche Professuren überführt wurden. Hier konnten seine Vorstellungen
nicht in jedem Fall realisiert werden, aber in den meisten Fällen war Julius
Kühn erfolgreich, seine Vorstellungen zu verwirklichen.
Auf
wissenschaftliche Einzelleistungen will ich an dieser Stelle nicht im Detail eingehen, hervorzuheben ist aber in jedem Fall der
außerordentliche Weitblick von Julius
Kühn bei der Anlage und Durchführung von landwirtschaftlichen
Untersuchungen. Julius Kühn legte
einen 20jährigen Tiefbearbeitungsversuch an, einen 40jährigen Roggenversuch und
mehrere Langzeitversuche zum Weizenanbau und zur Fruchtfolgegestaltung. Die
Felle und Skelette der Tiere aus dem Hautiergarten wurden präpariert und
gesammelt und bilden bis heute die Basis für wissenschaftliche Untersuchungen.
Besonders zu erwähnen ist der 1878 angelegte und noch heute laufende Versuch
„Ewiger Roggen“, bei dem Kühn versuchte die Mineralstofftheorie von Justus von Liebig zu überprüfen. Nach
den sogenannten klassischen Experimenten begründet von Gilbert und Lawes im
englischen Rothamsted, die von 1843 bis 1854 neun Dauerversuche anlegten, ist
der „Ewige Roggen“ damit einer der ältesten noch laufenden landwirtschaftlichen
Dauerversuche der Welt.
Zu
erwähnen ist noch die Tatsache, dass Julius Kühn nicht nur über seine große
Zahl von Schülern verfügte, die teilweise selbst nachher bedeutende Lehrstühle
in Deutschland innehatten, sondern seine Erkenntnisse gleichermaßen auch in
umfangreichen Schriften verbreitet hat.
Dass
Julius Kühn bis ins hohe Alter unermüdlich blieb wurde schon betont. Noch mit
73 Jahren erwarb er im Jahr 1898 privat das Rittergut Lindchen bei Senftenberg
in der Niederlaussitz, um hier Untersuchungen auf sehr leichten und somit extrem
ertragsschwachen Sandböden durchzuführen.
Bis
kurz vor seinem Tod im Sommer 1909 wirkte er als Hochschullehrer.
Manch
einer wird jetzt im Auditorium sitzen und sich fragen: Was bedeutet das nun für
mich hier und heute, welche Relevanz hat dies eigentlich für meine eigene
Forschung? Zweifellos haben wir methodisch gewaltige Fortschritte gemacht. Die
Details brauche ich hier sicherlich nicht aufzählen, den meisten im Saal ist
dies bewusst. Wir wissen unendlich vielmehr oder glauben zu wissen als Julius
Kühn und seine Zeitgenossen. Bei aller Begeisterung für moderne Methoden, in 50
oder 100 Jahren werden hier wieder Wissenschaftler sitzen und unsere Methoden
belächeln. Aber zurück zu Julius Kühn. Es sind nicht die Methoden und es sind
auch nur bedingt die wissenschaftlichen Einzelleistungen von Julius Kühn, die
für uns heute bedeutsam sind.
Wichtiger ist aus meiner Sicht der Sachverhalt, dass Julius Kühn in der
Lage war, seine Ergebnisse auch direkt in die landwirtschaftliche Praxis
umzusetzen. Das war aber keineswegs eine Einbahnstraße, sondern ein
wechselseitiger Austausch. Die Fragen kamen aus der Praxis und wurden in der
Wissenschaft von Julius Kühn aufgegriffen. Dafür haben wir heute zwar einen
schönen Fachbegriff – Transdisziplinarität - doch von der Umsetzung sind wir weit entfernt. Was
übrigens kein Wunder ist, wenn Wissenschaftler nicht nach Wirkung sondern nach
Impact-Punkten beurteilt werden.
Wir dürfen daher nicht den Fehler machen und die Leistung Julius Kühns
aus den heutigen Erfahrungen und Eindrücken zu interpretieren. Julius Kühn war
ein Mensch des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, der Lösungen für
agrarwissenschaftliche Fragestellungen seiner Zeit gefunden hat.
Wissenschaftliche Lösungen, aber auch organisatorisch-institutionelle Lösungen.
Auch wenn sich auf den ersten Blick einige Parallelen zur heutigen Situation
ergeben mögen, so sind die viele unserer Fragestellungen und Probleme anders
einzuordnen. Heute diskutieren wir über die Auswirkungen von
Klimaveränderungen, den Verlust der Biodiversität und Beeinträchtigungen der
Wasserqualität, Bodenschadverdichtungen um nur einige wenige Beispiele zu
nennen. Es sind aber auch Fragestellungen aktuell, die schon Julius Kühn
umgetrieben haben. Ertragsmenge und –qualität, Pflanzengesundheit und
Pflanzenschutz waren und sind weiter aktuell. Auch Malthus wird immer wieder
zitiert, wenn auch vielleicht im modernen Gewand.
Neben
diesen grundlegenden Fragen, gibt es aber eine Schnittmenge, die im Zentrum
agrarwissenschaftlichen Bemühungen steht – und dies galt für Julius Kühn und
gilt gleichermaßen in heutiger Zeit. Das ist der landwirtschaftliche Betrieb,
der ökonomisch agieren muss und sich im Spannungsfeld zwischen
Standortbedingungen, Markt und Politik und der Gesellschaft behaupten muss. Das
Verdienst von Julius Kühn liegt gerade darin, dass er diese Einheit immer so gesehen
hat. Zum Überprüfung einer Hypothese braucht der Agrarwissenschaftler daher in
letzten Konsequenz den sachverständigen Blick in die Praxis, um zu sehen, was
sich bewehrt und was trotz gut gemeiner Forschung, zum scheitern verurteilt
ist.
Und
insofern gewinnt das Zitat, das Issac Newton 1675 an seinen Freund Robert Hooke
– übrigens der Entdecker der Pflanzenzelle - schrieb: „Wenn ich weiter sehen
konnte (als du und Descartes), so deshalb, weil ich auf den Schultern von
Giganten stand “ für uns eine besondere Bedeutung. Einer der Giganten, auf
deren Schultern wir heute stehen, sind die Schultern von Julius Kühn.
Dass
wir unter seinem Namen forschen, dass wir uns institutionell zusammengefunden
haben ist einem so großen Wissenschaftler würdig.
Julius
Kühne hat Großartiges geleistet – in seiner Forschung in Organisation von
Forschung als Universitätsprofessor in der Lehre, aber auch in der Verbreitung
seiner Erkenntnisse in die Wissenschaft und in die Praxis.
Literatur:
Schmalz,
H. 1997: Die Vorgeschichte bis zur Eröffnung der Landwirtschaftlichen Fakultät
(1947). In: Diepenbrock, W., (Hrsg) Festschrift 50 Jahre Landwirtschaftliche
Fakultät, Universitätsdruck Halle, 13-23
Weblinks:
Julius Kühn bei Wikipedia
Biographie von Julius Kühn
Der "Ewige Roggen" in Halle
Die Audio-Fassung des Vortrages findet sich auch auf dem Youtube-Kanal
Weblinks:
Julius Kühn bei Wikipedia
Biographie von Julius Kühn
Der "Ewige Roggen" in Halle
Die Audio-Fassung des Vortrages findet sich auch auf dem Youtube-Kanal